Mittwoch, 30. Juni 2010

Die Durchquerung Englands












Verfasst vor 3 Tagen:

So. Inzwischen ist wieder viel Zeit vergangen. Wir sitzen auf der Fähre nach Calais, Frankreich und haben nun endlich Muße England Revue passieren zu lassen. Nach einem Wandertag nahe Stirling landeten wir in Glasgow – der letzten Station in Schottland. Hier hatten wir in einem Pub, der keine englischen Klischees erfüllte, das Spiel Deutschland gegen Australien verfolgt. Die Atmosphäre hatte sogar recht amerikanisch angemutet: ein lebensgroßes, sich selbst marinierendes, Hot-Dog, ein von der Decke hängender Chevy, indem die Blues Brothers Platz genommen hatten und das obligate Obama-Poster in Warhol-Stil – die neue Ikone, eingeschmolzen in jenem erhitzten Kessel der Politik und Popkultur legiert und auferstanden als frischgepressster Markenartikel Marilyn, ready für den Massenmarkt. Anscheinend ist Glasgow ein äußerst heißes Pflaster mit lauter Verrückten - das Rotweinglas aus dem ich trank war jedenfalls ein Imitat aus Plastik und die Engländer für die Deutschen. Nach dem Spiel ging es weiter Richtung Lake District, einem Erholungsgebiet an der Westküste, zuvor gab es noch einen kurzen Zwischenstopp in einem buddhistischen Kloster, mitten in der schottischen Pampa. In tiefster Dunkelheit gelangten wir dorthin und haben auf dem Weg unser erstes größeres Tier überfahren – die dicke Paste aus Fliegen und Faltern, die unsere Scheibe verkrustet und regelmäßig abgeschabt werden muss, zeigt, dass wir insgesamt gesehen schon weitaus mehr Lebewesen auf dem Gewissen haben als uns lieb ist.

Abgesehen von diesen Bluttaten ist in ganz Großbrittanien alles so sicherheitsorientiert, dass einem fast schlecht davon wird. Angefangen bei ständigen Erläuterungen darüber wie ein Auto perfekt zu steuern sei, die eine ganze Palette großflächig angebrachter Aufschriften wie „Slow Down“ und „Reduce Speed Now“, oder den etwas drastischeren Slogan „Aggression Kills“ umfassen, führt der liebevoll sanfte Schultergriff einverleibter Wohlfahrtspolitik den inzwischen schon recht weichgeklopften Bürger zur kritiklosen Akzeptanz extremer Videoüberwachung, „Neighborhood Watch Areas“, dem Verkaufsverbot von Alkohol ab 22h – wohlgemerkt nur in Schottland und sinnigerweise sind Bars davon ausgeschlossen – inklusive hoher Altersfreigabe (Alkohol ab 25 Jahren und Zigaretten ab 18 Jahren), enormer Unterschriftenkontrolle bei bargeldlosem Zahlungsverkehr und endet in einem Fiasko – der Liasion von Wein und Plastik. Die britischen Einwohner sind, um nach dieser Kritik auch Positives anzumerken, die bisher mit Abstand höflichste Bevölkerungsgruppe Europas und ausgesprochen hilfsbereit. Nicht nur, dass uns jeder Kassierer und Imbissverkäufer gefragt hat, ob wir denn auch einen schönen Tag hinter uns haben, auch Entschuldigungen kamen sehr schnell über die Lippen, was mich dazu bringt, dass ich schmunzeln muss und mir einen kleinen Seitenhieb nicht verkneifen kann, wenn ich mich frage, ob dies bei der Kolonialisierung auch ähnlich von statten ging. Die von animalischer Gier angetriebene und dazu im krassen Gegensatz elegant durchgeführte Machtübernahme durch ein weltmännisch gewandtes Königreich. So quasi „Wir nehmen euch zwar alles weg, misshandeln und ruinieren euch für immer, aber wir bedauern dies zutiefst und möchten uns schon jetzt für jegliche Unzulänglichkeit, die daraus resultieren sollte, vielmals und von ganzem Herzen entschuldigen“. Trotz dieser dunklen Vergangenheit ist die britische Zuvorkommenheit natürlich äußerst angenehm. Außerdem haben die Engländer einen charmanten Akzent, die Schotten tragen sexy Röcke und nirgendwo sonst habe ich derartig viele Männer mit nacktem Oberkörper auf den Straßen gesehen- das allein stimmt milde.

Zurück zum Lake District. Dort verbrachten wir ein paar erholsame Tage auf einem Parkplatz im tiefen, sattgrünen Wald. Es gibt hier viele Rundwanderwege, die wir auch nutzten und die kleinen Orte sind idyllisch und, da das Gebiet sehr groß ist, nicht allzu überlaufen. Auch war es sehr angenehm überall legale Parkmöglichkeiten vorzufinden, auf denen Camping kein Problem darstellte und deren Preise mit ca. 4 Pounds pro Tag erschwinglich waren.

Weiter ging es Richtung Süden und Liverpool. Kurz davor legten wir einen Zwischenstopp in Southport, an der Westküste, ein. Ein wunderbar weiter Strand erwartete uns. Das Wetter war leider noch zu kühl, um baden zu können, stattdessen begegnete uns eine große Gruppe Jugendlicher, die unter Organisation der Seventh Day Adventist Church hier ihr alljährliches Treffen abhielten. Im Abendrot der untergehenden Sonne fand hier am Strand ein kurzer Gottesdienst statt und wir wurden eingeladen teilzunehmen. Es war sehr schön und vorallem fröhlich – mit lauthals gesungenen Gospelliedern und gemeinsamen Beten, das einem lockeren Gespräch ähnelte, anstatt ein strenger Verweis mit erhobenem Zeigefinger zu sein – der verführerischen Versuchung Aspekte der Askese zu erläutern konnte jedoch auch diese Organisation nicht widerstehen. Die Mädels und Jungs waren sehr zugänglich und aufgeschlossen und ihre dezenten Rekrutationsversuche minderten die nette Begegnung keineswegs.

Am nächsten Tag legten wir im stickigen Auto (das Fenster auf der Beifahrerseite lässt sich nur mehr schwer bedienen – Kurbel kaputt – aus Angst, es könnte nicht mehr zugehen, lassen wir es meist ungeöffnet und da ich öfters auf dieser Seite sitze, bange ich schon vor dem nahenden Süden) die letzte Strecke nach Liverpool zurück. Dort spazierten wir nur kurz durch die recht triste Industriestadt, die uns nicht sonderlich gefiel und fuhren ein paar Stunden später ins nahegelegene Birmingham.

Diese Stadt ist die zweitgrößte Englands, nach London natürlich und wir haben uns, abgesehen von einem kleinen Abstecher in den botanischen Garten, eigentlich nur in den Randbezirken aufgehalten.

Die Ghettoisierung, die man aus den Nachrichten so kennt, sieht man hier deutlich. In manchen Vierteln der Stadt leben vorallem Inder, in anderen Menschen muslimischer Herkunft. Die Bewohner dieser Viertel sind durchwegs traditionell gekleidet und in den Schaufenstern anliegender Geschäfte werden Waren wie Saris, Teppiche oder Bollywoodfilme feilgeboten. Viele kleine Märkte und Imbissbuden ergänzen das Straßenbild. In den großen Kaufhäusern sind die exotischsten Produkte zu günstigen Preisen erhältlich. Ein paar Häuser weiter wohnen dann wieder lauter Briten und die angebotenen Waren sind regional beschränkt und so kann man an Birmingham die Situation misslungener Integrationspolitik ablesen. Im Vergleich dazu scheint Wien mit seinem Schmelztiegel verschiedener Kulturen und zentral positionierten „Sehenswürdigkeiten“, wie dem Naschmarkt, ein äußerst fröhliches Miteinanderleben zu generieren. Endlich mal ein Grund stolz zu sein auf die Heimatstadt!

Der botanische Garten war gratis zugänglich und in viele verschiedene Bereiche unterteilt. Tropen, Wüste, Gebirge, gemäßigte Zone usw. waren als begehbare Innenräume angelegt. Der weitaus größere, begehbare Teil war als englischer Rosengarten, Farnwinkel, Römisches Atrium, Cottagehäuschen mit Kräutergarten uvm. ausgestaltet. Zu unserem Vergnügen, zugegeben nicht ganz frei von Zynismus, konnten wir eine feine Hochzeitsgesellschaft beobachten, die hier ihre Feier abhielt. Im klassisch englischen Stil gekleidet, in dickstoffenes Qualitätsgewand gehüllt und viele der Damen extravagant behütet.

Angeregt von dieser Begegnung freuten wir uns auf die Cotswold Hills, ein Erholungsgebiet im Westen von London, indem viele Wohlsituierte und Stars, ihre Anwesen haben.

Das erste Örtchen, Stanton, ist ein Traum, winzig und niemand Anrainerfremdes bewegt sich dort. Wir fühlten uns dennoch nicht als Eindringlinge, sondern wurden nur interessiert begutachtet, als wir („Oh Klischee ergieße dich über uns“) ein Spiel des Cricketclubs beobachteten. Anschließend spazierten wir, vorbei an süßen, beigefarbenen Steinhäuschen mit üppigen Blumengärten – die Fenster und Türen standen hier lässig unbeängstigt offen, „Neighborhood Watch Area“ selbstverständlich – , aus dem Dorf hinaus, entlang der sanften, englischen Hügel, bestiegen eine mächtige Eiche und machten uns wieder von dannen.

Anscheinend hatten wir hier wirklich einen Glücksgriff gelandet, vielleicht war aber auch unser folgendes Timing nicht gut, denn der nächste Ort war weniger idyllisch, wenn auch nicht aufgrund der Optik, so wegen der vielen Besucher. Aber was hatten wir uns auch dabei gedacht Bourton-On-The-Water an einem sonnigen Sonntagnachmittag zu besuchen. Flüchtend vor den Massen fanden wir in Little Faringdon Asyl, direkt neben einem wogenden Kornfeld, dessen verblassende Grüntöne sich allmählich ins Gelbe verschoben und so an den nahenden Sommer gemahnten.

Am nächsten Tag brachen wir nach Oxford (ca. 2 Stunden entfernt) auf. Jedoch war auch hier der Zeitpunkt äußerst ungünstig: Eine Paradestudentenstadt am Zeugnistag zu besuchen hat zwar einen eigenen Reiz – man bekommt trotz Freisemester den Ferienbeginn mit und sieht viele junge Menschen mit witzigen, schwarzen, viereckigen Quastelhüten – aber es ist halt trotzdem nicht dasselbe. Die mittelalterlich verzierte Stadt wirkte bald ausgestorben und wie im trägen Sommerschlaf und von den edlen Universitäten sahen wir leider nur die Innenhöfe. Was überraschte war, dass das Flair des Städtchens etwas weniger versnobt ist als angenommen. An der Atmosphäre merkt man, dass während des Studienjahres viele junge Leute hier leben, es gibt einen großen Park, viele kleine Pubs und irgendwie gleicht die ganze Innenstadt einem erweiterten Campus.

Am Abend fuhren wir an den Rand von London, um am darauffolgenden Tag Festivaltickets für Portugal im Szenebezirk Camden zu erstehen. Wir merkten wiedermal wie klein die Welt doch ist, als wir feststellten den Verkäufer der Karten über Salzburger Ecken zu kennen. Zu meinem großen Bedauern konnten wir nur bis zum Abend bleiben, da das Parken in London unglaublich teuer ist. Die hohen Preise sind auch der Grund warum die meisten hier nicht Fuß fassen können, wurde uns gesagt. Nachdem wir bei unserem ersten Besuch in der Hauptstadt vorallem die klassische Tourismustour absolviert hatten, konzentrierten wir uns diesmal auf dieses Viertel, das wirklich genügend zu bieten hat: schräg gestylte Leute, kuriose Geschäfte, Neonbeleuchtung, eine Marktstraße mit zahlreichen Cafés und Restaurants und alles in ständiger Bewegung und greller Üppigkeit, sodass einem die Augen übergehen. Daneben ein paar Kanäle an deren Ufern man entspannen kann und ein großer Park mit schöner Sicht aufs Zentrum.

Wir fuhren einmal quer durch die ganze, vibrierende Stadt, um hinaus zu gelangen, standen streckenweise im Stau und hatten so eine Stunde lang ausführlich Zeit Abschied zu nehmen. Da ich diese Stadt jedoch liebe, wie kaum eine andere, war es sicher keiner für immer!

Die nächsten Tage verbrachten wir am südöstlichen Zipfel Großbrittaniens, am Sandwich Bay, wo kreischende Möwengangs ihr Unwesen treiben. Dann verschoben wir die Fähre und entspannten zwei Tage auf einem Campingplatz unter exzessiver, fast schon missbräuchlicher Nutzung des Internet-Sticks (der in Frankreich nicht mehr funktionstüchtig sein wird), sprich Serienendlosschleifen schauen bis die Augen triefen und die Ohren glühen.

Am letzten Tag unseres Aufenthaltes verfolgten wir in einem kleinen Pub (diesmal wurden sämtliche englischen Klischees erfüllt: eng, schummriges Licht, Barhocker und Holztische, jede Menge brüllender Briten und reichlich Alkohol, diesmal sogar in echten Gläsern) das Spiel Deutschland-England. Wir hielten zu England, wurden selbst jedoch für Deutsche gehalten und auch unser demonstratives Traurigdreinschauen an entscheidenden Stellen konnte unsere unterstellte Tarnung nicht aufrechterhalten. Schlussendlich mussten wir vorzeitig durch einen tobenden Tumult wütender und in der nationalen Ehre schwer getroffener Fußballfans – warum die sich hier noch immer wie Ritter verkleiden versteht kein Schwein - und an die Wand geschmissener, zerberstender Glasbehälter fliehen. Noch einen Kilometer vom Pub entfernt konnten wir sie in ekstatischem Wahnsinn „you fucking white cocks“ schreien hören, dabei hatten wir gar keine weißen Deutschland-Dressen an und waren außerdem durch unsere aufgemalten Oberlippenbärtchen klar erkenntlich als Österreicher deklariert ;)

Etwas weiter südlich in Dover legte unsere Fähre ab. Der Weg zum Hafen war gesäumt von abgebrannten Interrail Reisenden, die auf zerknitterten Kartons um ein Charity-Ticket nach Frankreich flehten. Wir am Ende des Monats selber abgebrannt, konnten leider nicht weiterhelfen; so blieb uns nur der Aufbruch und das Zurückblicken auf die, in dickem Dunst liegende, Küste mit ihren gespenstisch weißen Klippen.

Freitag, 11. Juni 2010

William Wallace is seven feet tall!Yes,I've heard.Kills men by the hundreds,and if he were here he'd consume the English with fireballs from his arse.









Nach der wunderschönen Fahrt durch den Central Belt mit all seinen hügeligen Wiesenlandschaften, üppigen Eichen, darunter weidenden Schaf- und Ziegenherden und verstreuten Felsen – eine Landschaft, als wäre sie direkt einem barocken Gemälde entsprungen – kamen wir in den Highlands und damit in raueren Gefilden an. Auf dem obligatorischen Weg zum Loch Ness konnten wir ungewöhnliche Bergpanoramen bestaunen und die Weite und Einsamkeit des nördlichen Schottlands.

Das Loch Ness – der zweitgrößte der schottischen Süßwasserseen, der vermutlich ein Überrest des Meeres ist – mit einer Tiefe von 230m war beeindruckend und die darüber hängenden Nebelschwaden trugen das ihre zur geheimnisvollen Aura dieses Ortes bei. Nessie war jedoch keine zu sehen, stattdessen die ausgestellte Ausschlachtung eines Mythos. Skulpturen des freundlichen Meeresmonsters untermauerten stillschweigend den Bedarf eines Nessie-Restaurants, -Hotels, -Museums, und wie bei vielen Touristenattraktionen, die eigentlich gar keine sind, war es fast so als bedürfe dieses Dorf der Legitimation durch dieses Fabelwesen, welches an einem ähnlich nebligen Tag der Fantasie eines kreativen Schotten entsprungen sein mag. Wir blieben die Nacht über in Inverness, einem Dorf an der Mündung des Lochs. Die vielen, für angelsächsische Länder ungewöhnlichen, Bezeichnungen entspringen dem Gälischen, einer aussterbenden und äußerst poetischen, keltischen Sprache.

Am nächsten Tag fuhren wir Richtung Isle of Skye, der größten Insel der inneren Hebriden im Nordwesten Schottlands, auf der noch ca. 30 Prozent der Bevölkerung Gälisch sprechen. Auf halber Strecke, übernachteten wir in der unendlichen Einsamkeit und machten unsere erste Bekanntschaft mit einem der am besten gehüteten Geheimnisse Schottlands: der Highland Midge; einer Mückenart so mikroskopisch klein, dass man sie zuerst milde lächelnd als „Fliegerl“ abtut, nur um nach einem halbminütigen Aufenthalt außerhalb des Autos, geschockt vor den äußerst aggressiven und in Schwärmen angreifenden Blutsaugern zu fliehen. Aufgrund ihrer Winzigkeit sind sie natürlich auch im Auto und überhaupt anscheinend überall und nur die exzessive Anwendung eines Giftes, dessen Namen ich hier nicht nennen möchte, konnte dem Grauen Abhilfe verschaffen.

Am nächsten Tag herrschte schottisches Bilderbuchwetter, meint Regen, doch trotzdem wagten wir einen kleinen Spaziergang durch die moorige Heide. In einem kleinen Felsplattensee entdeckte ich winzige Grottenolme, die süßesten Tierchen der Welt, eine Mischung aus Fisch und Frosch, ca. 3 cm lang und unzählige davon. Danach ging es weiter zur Insel, welche jede Reise wert ist. Das ohnehin spärlich besiedelte Land, erhebt sich hier zu einer Sinfonie aus Wildnis und Anmut, die einen staunend verstummen lässt. Meeresarme ragen ins Inselinnere, gesäumt von riesigen Wasserpflanzenteppichen und unzähligen Wiesenblumen. Immer wieder queren einzelgängerische Schafe und Widder die Straße, im Norden ragen Steilküsten ins stürmische schäumende Meer und das alles umgeben von einer Bergkulisse, die aussieht wie die kitschige Landschaftstapete in einer Plattenbau-Wohnung, nur eben in diesem Fall beeindruckend echt.

Hier campten wir ein paar Tage. Die Nächte in Schottland sind kühl, regnerisch und sehr windig und am frühen Morgen (also nach unserer Zeitrechnung um 10h J ) ist es meist neblig und düster, bis die Wolken kurz vor Mittag aufbrechen und der strahlenden Sonne den Weg räumen. Die Nächte sind außerdem auch lang, da hell. Richtig dunkel wird es kaum und um 4h morgens herrscht bereits Tageslicht. In der dämmrigen Dunkelheit der Mitternacht verließen wir die Insel - am Horizont die blauvioletten Streifen eines schon etwas verausgabten Sonnenuntergangs. Die Ufer lagen wie pechschwarze Flügel im silberschimmernden Meer. Ein gebührender Abschied. Wieder am Festland führte der Weg durch Wald und Wiesen und plötzlich kreuzte mitten auf der Straße eine Hirschfamilie unseren Weg, kleines Bambi inklusive. So ging es dann eine Stunde lang dahin. Nach jeder Kurve eine ganze Gruppe dieser wunderschönen, verblüffend großen Tiere. Angestrengt vom konzentrierten Fahren blieben wir am Rand der Straße stehen, um zu schlafen.

Irgendwie sind wir inzwischen ein bisschen erschöpft vom vielen Reisen, weshalb wir beschlossen haben ein paar Tage zu pausieren, bevor wir nach Glasgow und damit der letzten Station in Schottland aufbrechen. Hier im Siedekreis des Loch Ness ist ein Naturschutzgebiet mit zahlreichen Wanderwegen. Neben einem kleinen Flüsschen – dem Arm des Loch Lochy (wie kreativ) - und der Ruine eines mittelalterlichen Schlosses, haben wir einen ruhigen Stellplatz gefunden, werden ein paar Tage bleiben, uns am Flussufer ausruhen und den Ben Nevis besteigen.


Das war unser Plan, denn nach der brennenden Hitze des gestrigen Tages war ich sicher, dass weitere Sonnentage folgen würden. Dem ist nicht so, die Launenhaftigkeit des schottischen Wetters ist nicht zu unterschätzen und heute zeigt sich der Himmel düster wie eh und je. Deswegen sind wir nun doch vorzeitig aufgebrochen und fahren gerade weiter nach Stirling, einer Stadt kurz vor Glasgow.



Nachdem wir 2 Tage in Edinburgh verbracht hatten, verließen wir die Haupstadt und fuhren weiter durch den Central Belt nach Criff. Dort besichtigten wir die älteste Whisky-Destillerie Schottlands. The Famous Grous - eine im Vergleich sehr kleine Brennerei. Wir lernten die verschiedenen Gärungs- und Destillationsprozesse kennen und kosteten zwei der Endprodukte. Begeistert von den verschiedenen Sorten und Geschmäckern entschieden wir uns einen 12 Jahre alten Whisky zu gönnen und beschlossen uns nie wieder einen Fusel a la Jack Daniels & Co anzutun.

Sonntag, 6. Juni 2010

Edinburgh: Eine Reise in die Vergangenheit









18 Jhd., Marie Kings Street. Ungefähr 5 Meter unter dem Boden eines mehrstöckigen Mietshauses verläuft ein riesiges Straßennetz - die Heimat vieler Arbeiter und Obdachloser in Edinburgh. Vollkommene Dunkelheit, nur vereinzelte Fackeln bieten den Händlern der Straße Licht.Die Einzimmerwohnungen waren für mehrere Familien gedacht, in der Ecke ein Kübel und eine Kochstelle. Im nächsten Raum wurde ein kleiner Stall eingerichtet.

Wir verlassen die unterirdische Stadt und sind wieder im 21. Jhd.. Das Licht brennt in den Augen. Das erste, dass wir sehen ist ein riesiger Palast und ein Starbucks Cafe mitten in einer Einkaufstraße, am Boden ein Bettler.

Die Anfänge der Industrialisierung lassen sich kaum besser nachempfinden als in Edinburgh; die Gebäude stammen hauptsächlich aus dem 18 Jhd, sind von Feinstaub verdunkelt, angrenzend etliche Kirchen und Regierungsgebäude.

Über Stufen gelangt man hinab zu einem großen Park mitten im Zentrum. Gewaltige Bäume, hohes Gras an den Hängen und wuchernde Sträucher.

Für mich die bisher schönste Stadt Europas.

Samstag, 5. Juni 2010

Donnerstag, 3. Juni 2010

Southern Uplands




Newcastle mit seinen an der Küste wie Perlen aufgefädelten Backstein-Häusern, kreischenden Möwen-Schwärmen und vor Anker liegenden Booten, sieht aus, als wäre es einem englischen Schullehrbuch entsprungen. Nach einigen linksverkehrbedingten Irrwegen gelangten wir ins Zentrum, verweilten jedoch nur um unsere Einkäufe zu erledigen und brachen anschließend in Richtung Schottland auf. Die hügelige Landschaft schmiegte sich an beide Seiten der Straße, saftige Wiesen, zahlreiche Schafherden, kreischend blauer Himmel. Dazwischen kleine Dörfchen mit Häusern aus Stein, verspielte Schlösschen und blühende Büsche. Gegen Norden wird die Landschaft gewaltiger, die Berge höher und die Siedlungen verstreuter. Dann endlich breitet sich die Hauptstadt Schottlands wie ein Fächer vor unseren Augen auf: unweit des Stadtrandes ein Berg, der ebensogut im Wilden Westen stehen könnte und Edinburgh – düster, geheimnisvoll und imposant.


Mal anders






Angekommen in Hamburg und den Schock noch nicht ganz verdaut besuchten wir die Reeperbahn, tranken ordentlich und vergnügten uns den restlichen Tag mit den zahllosen Prostituierten.

Nein. Wir kamen in der edlen Hansestadt abends an, fuhren ins Zentrum, parkten, und spazierten die Elbe (danke Anna) entlang Richtung Bahnhof. Dort angekommen stürzten wir uns sogleich in einen gut sortierten Zeitschriften-Kiosk, bestaunten, das Österreich wahrlich überlegene Angebot -auch an qualitativen Magazinen- und versorgten uns mit lang ersehntem Lesestoff. Anschließend verließen wir Hamburg tatsächlich über die Reeperbahn, allerdings ohne zu trinken und auch ohne Begleitung.

Wir schliefen kurz vor Bremen auf einer Raststation.

Bremen ist ein kleines Städtchen, die Häuser sind mit äußerst viel Liebe zum Detail gebaut und für ihr Alter sehr gut erhalten. Als wir durch die Altstadt schlenderten, musste ich seltsamerweiße immer an Lebkuchen und kleine Zwerge denken, weshalb Bremen für mich ein märchenhafter Ort ist und das „Stadtmusikantenflair“ durch und durch ausstrahlt.

Nach eineinhalb Stunden Fahrt und einem Zwischenstopp in Groningen, gelangten wir nach Amsterdam. Die Schwierigkeit bestand darin eine Übernachtungsmöglichkeit zu finden. Amsterdam ist dicht bebaut, von Kanälen durchzogen und nicht umsonst eine Fahrrad-Hochburg. Mit unserem Ungetüm hier einen unauffälligen Schlafplatz zu finden war unmöglich - ganz abgesehen davon kostet eine Stunde Parken ca. 3 EUR. Da unser Aufenthalt gerade noch in die Nebensaison fiel, konnten wir preislich einen zentralen Campingplatz verkraften (Camping Zeeburg 21€ inkl. Strom und Wifi). Erstaunlicher Weise erinnerten wir uns, dank unseres Aufenthaltes vor immerhin zwei Jahren an vieles, somit wurden die üblichen Touristenattraktionen ausgelassen und wir sahen uns abseits des Trubels um. Nach dem vierten Tag fuhren wir aufs Land und campten wieder wild, um die letzten Tage des Monats und gleichsam vor der Fähre, sparsam zu überbrücken.

Die grüne Insel

Gestern sind wir nach einer harten Nacht (die teuerste Fähre bisher und trotzdem sehr unkomfortabel, da laut) in Newcastle upon Tyne angekommen und schon von weitem sahen wir die berüchtigten Felsschluchten am Horizont ins Meer ragen. Der Grenzübergang funktionierte überraschend schnell. Weniger schnell gelingt es mir, mich an den Linksverkehr zu gewöhnen. Das Einfahren und verlassen von Kreisverkehren, das Auffahren auf Autobahnen, das Abbiegen auf Kreuzungen – alles das muss nicht neu erlernt, aber umgedacht werden. Ebenso Unvorteilhaft ist es, mit einem für den Rechtsverkehr entworfenen Fahrzeug, unterwegs zu sein: Beim Auffahren auf Autobahnen ist der Totewinkel gefährlich groß - vorallem ohne „mittleren Rückspiegel“ohne Beifahrer nicht zu empfehlen.


Kulturschock






Nach einer Woche im Hippie-Paradies, brachen wir nach Amsterdam auf. Die Fähre nach Newcastle upon Tyne würde am 1. Juni im nahegelegenen Hafen von Ijmuiden auslaufen (ein Hafen übrigens, dessen Anblick von zur See fahrenden Männern träumen lässt, die, zwischen der Ankunft ihres einen Schiffes und der Abfahrt des nächsten, im Zwielicht der Hafen-Spelunken, von den Frauen träumen, deren eintätowierte Namen auf ihren arbeitsgestählten Oberarmen von der Vergänglichkeit der Liebe zeugen. Und irgendwo in einer der leeren, dunklen Seitengassen hört man die sanften Töne eines Saxophons und in den Klangteppich der Musik webt sich der ganze Schmerz dieser einsamen Seelen, weben sich alle Klagen der Welt). Da Dänemark neben kultureller Vielfalt, auch landschaftlich viel zu bieten hat, machten wir uns auf den Weg zu der Insel Romo (etwas nördlich von Sylt und daher schon bedrohlich nahe an Deutschland). Auf die kleine Insel führte eine schmale Straße, gesäumt von Wattmeer. Das andere Ende des Eilands war schnell erreicht und mit ihm ein beeindruckend, weitläufiger Strand, surreal in seiner wüstenhaften Gestalt. Nach einigem Zögern (man erinnere sich an unser doch etwas traumatisches Erlebnis in Griechenland) wagten wir mit unserem Auto einen engen Durchgang zwischen den Dünen zu passieren, der von der asphaltierten Straße auf eine 1 km breite und mehrere Kilometer lange, durch die Ebbe freigelegte Fläche führte. Am Boden zeichneten sich kreisförmige Drift-Spuren ab, die herumstehenden Geländewagen wirken wie die Überreste einer Rallye. Wohnmobile und ferne Gestalten, die Drachen steigen ließen und dazu die untergehende Sonne. Dieses Idyll würde bald gestört werden. In der um sich greifenden Dunkelheit, suchten wir nach einem Campingplatz – auf diesem übersichtlichen Fleckchen Erde wild zu übernachten, schien uns zu riskant, da auffällig. Der erste Campingplatz hatte etwas von einem Staatsgefängnis: dicke Mauern, etliche Securities mit Schlagstöcken, sogar einen verirrten Polizisten fanden wir vor. Dazu Horden grölender, besoffener Deutscher – seit langem der erste Kontakt mit unserer Muttersprache. Wie traurig. So schön kann es sein nichts zu verstehen. Alles war ausgebucht und fast waren wir froh darüber, dann die Erklärung für diesen Auflauf – Pfingstferien (die hatten wir in unserer Urlaubsendlosschleife ganz übersehen). Nach kurzer Fahrt gelangten wir zu dem zweiten und letzten Campingplatz auf der Insel. Auch hier alles voll, aber für „gnädige“ 15 EUR durften wir am Parkplatz vor der Eingangshalle übernachten und natürlich auch die Sanitäranlagen benutzen. Das Publikum hier unterschied sich nicht sonderlich von unserer ersten Begegnung der dritten Art: deutsche Flaggen, Trottelmusik und Partystimmung. Am nächsten Tag bleiche Gesichter und trotzdem knallten die Korken auf ein Neues. Froh dem Ganzen zu entfliehen machten wir uns wieder auf unseren Weg. Nächster Halt: Hamburg.