Montag, 26. Juli 2010

Der Weg nach Hause

This is the End....

Die Heimat ruft. Immer lauter, immer öfter. Anfangs war die Sehnsucht nach dem Zuhause, als etwas liebenswertes, das verloren gegangen war, nach nun schon fast einen halben Jahr Wohnen im Bus entfremdet man sich allerdings von vielen der Angewohnenheiten unserer Wohlstandsgesellschaft.

Das Leben zu zweit im kleinen Bus ist eine Probe, die wir eigentlich ganz gut meistern. Es besteht aus Kompromissen, Privatssphäre ist kaum vorhanden. Da wir beide nicht unbedingt konfliktgehemmt sind, hatten wir bisher viel Zeit und Muße alles ausführlich auszuhandeln. Dies hat Vor- und Nachteile. Manchmal ist es notwendig eine Zeit lang nicht miteinander zu reden, um Freiraum für sich zu nutzen. Der Alltag wird so zumindest nicht langweilig.

Alle drei Tage müssen wir unsere 50 Liter Frischwassertanks, zum Abwaschen, Zähneputzen und Kochen an Tankstellen auffüllen, 30 Liter Abwasser alle 2 Tage entleeren. Unser Strom reicht maximal 3 Tage für den Laptop, dann gibt es nur Licht und fließend Wasser. Anfangs fiel die niedrige Batterie Kapazität noch nicht ins Gewicht, da die zurückgelegten Strecken ausgedehnt waren. Leider haben wir noch kein Batterieladegerät, um bei den gelegentlichen Stopps auf Campingplätzen die „Akkus“ wieder zu laden. Da wir bis zum Festival nur mehr knapp 750 Kilometer zu fahren haben, müssen wir meist mit der Notstromversorgung auskommen. Jeden Tag eine warme Dusche - schön wärs! Zum Glück ist der Atlantik 50 Meter vor der Haustür. Das Gas reicht ewig; bis jetzt wurde fürs Kochen nur eine 2,8 Kg Gasflasche verbraucht. Die Lebensmittelhaltbarkeit ist hier im Süden deutlich begrenzt. An frische Milch, Fleisch oder Eier ist nicht zu denken, es sei denn, die Waren werden am selben Tag verzehrt. Frühestens alle 2 Wochen heißt es: Waschtag! So haben wir im Norden viele nette Waschsalons kennengelernt. Seit England sind Campingplätze unsere erste Anlaufstation. Ab und an wird unsere Wohnung mit dem Tankstellensauger von Staub befreit. Die natürlichen Ressourcen unserer Umgebung werden so gut es geht genützt. Das Meer reinigt nicht nur uns, sondern auch unser Geschirr. Der Sand ist dabei das ideale Spühlmittel.

Unser Bus hat sich ein großes Lob verdient! Bis auf den selbstverschuldeten Ausrutscher mussten nur zwei Schläuche und eine Schraube ausgetauscht werden. Ein wirklich zuverlässiges Gefährt. Lediglich die Tatsache, dass er Öl säuft wie ein Schluckspecht zeugt von seinem hohen Alter. Unser insgesamter Spritverbrauch wird gegen Ende wohl an der 2000 Liter Marke kratzen, in Anbetracht der zurückgelegten Strecke ist dies aber durchaus im Normbereich. Nicht zu vergessen ist dabei, dass das Fahren als Nebeneffekt unseren Strom erzeugt und wir am Ende wahrscheinlich nicht viel mehr Kilometer auf dem Buckel haben werden, als der durchschnittliche, österreichische Pendler im Jahresmittel.

Die Sehnsucht nach diesem Leben wird ebenso groß sein, wie es die an die Heimat war. Die ungemeine Bewegungsfreiheit, die wir in diesem halben Jahr genossen haben und das fast ziellose Umherreisen, werden anfangs sicher fehlen. Der Blick auf die bei uns üblichen Verhaltensmuster wurde durch die Auszeit sicher objektiver und natürlich haben wir viel an Offenheit gewonnen, etwas, dass uns bleiben wird.

In welcher Weise drängt sich das Ende der Reise auf? Ich beginne wieder auf die Uhrzeit zu achten. Erledigungen, die Zuhause auf mich warten, spuken im Kopf. Wir unterhalten uns immer öfter über unser vergleichsweise angepasstes Leben in Österreich und darüber, wie es sein wird nach dem halben Jahr zurückzukommen...

Der Heimkehr stehe ich mit gemischten Gefühlen gegenüber. Mir graut vor der Wohnungssuche, dem eingeschalteten Handy und dem nahenden Winter, aber ich freue mich auf meine Freunde, die restlichen Sommerferien, und den Beginn der Uni.

Unsere Geschichte endet nun. Wir werden die restliche Zeit am Meer verbringen und vor der Rückreise noch das Festival in Portugal besuchen. Fortan werden keine Beiträge mehr verfasst, aber, nach Lust und Möglichkeit, Fotos gepostet. Die regelmäßige Pflege unseres Blogs war zwar eine Herausforderung, half jedoch die vielen Eindrücke zu ordnen und zu verarbeiten. Gleichzeitig bleibt uns eine schöne Erinnerung an unsere erste große Reise...

Sonne, Sand & Meer





















Nach unserem zu langen Aufenthalt in der Sonne, mussten wir die nächsten Tage im Schatten verbringen. Wir waren vom Campingplatz Richtung Biarritz aufgebrochen und legten in einem Wald, kurz vor der Stadt, eine Pause ein. Am Abend wanderte eine fröhliche Punkfamilie an unseren offenen Fenstern vorbei, das heißt zwei Pärchen und ein Typ mit sechs Hunden im Anhang. Am nächsten Tag wurden wir durch zwei von ihnen geweckt. Sie baten uns sie zum nächsten Supermarkt zu fahren, um Essen und Wasser zu kaufen. Der Weg war recht lang und wir froh, dass wir ihnen helfen konnten. Zurück am Strand begleiteten wir sie zu den Anderen, aber wir Sonnengeschädigten hielten es nicht sehr lang in der Hitze aus und verabschiedeten uns zur Siesta in den Wald. Später kamen wir wieder und verbrachten den Abend gemeinsam. Kurz bevor ein Sturm aufzog, wurden wir von ausschwärmenden Bienen attackiert und flohen vor den Angreifern und dem Unwetter zum Schlafen in unseren Bus. Dann ging es weiter nach Biarritz, früher Nobelbadeort, heute Surfer-Mekka und Konsumtempel. Der Campingplatz war dicht besiedelt und um 22h legten sich alle schlafen, sodass wir viel zu früh zu extrem leisem Verhalten gezwungen waren. Wir blieben nur eine Nacht und hatten uns bereits kurz nach Einchecken geärgert, da es gleich um die Ecke einen billigen Wohnwagenstellplatz inkl. Strom gab.

Am darauffolgenden Morgen verließen wir den französischen Teil des Baskenlandes und reisten in den spanischen. In San Sebastian prangte auf einem Einkaufszentrum eine Videowall mit Szenen von den Stierläufen in Pamplona. Wir recherchierten, dass diese gerade stattfanden und da ich zuviel Hemingway gelesen habe, beschlossen wir spontan hinzufahren. Im Landesinneren stand die Luft förmlich. Schon lange vor der Stadt konnten wir die Ersten, in Rot-Weiße Kleidung gehüllten, Wagemutigen sehen. In der Stadt war fast jeder in der Stierlauf-Kluft unterwegs. Alkohol floß in Strömen, alle Grünflächen waren versunken im Menschenmeer und Radwege, Hauseinfahrten und ganze Straßenabschnitte kurzerhand zu Parkplätzen umfunktioniert worden. Nach einer, auch fahrtechnisch, atemberaubenden Rundfahrt durch das Zentrum, flüchteten wir etwas außerhalb und konnten neben einem gastierenden Zirkus, etwas abseits der Artistenwägen, übernachten. Am nächsten Tag marschierten wir wieder in die Stadt, über der die Mittagsruhe lag. In den Parks schliefen die Betrunkenen ihren Rausch aus und wir erfuhren, dass alle Karten für die Läufe ausverkauft seien. Daraufhin flohen wir aus der klebrigen Hitze, legten eine mehrstündige Fahrt Richtung Meer zurück, passierten einige Industriestädte und erreichten die trotz Vorrausahnung überraschend grüne Costa Verde. Bergige Straßen führten an dichtbewachsenen Hängen vorbei und irgendwie erinnerte es hier an Südamerika. Nach ein paar vorübergezogenen Buchten, fanden wir bei Ribadesella einen Traumstrand, an dem bereits ein paar Wohnmobile parkten. Wir stellten uns dazu und blieben einen Tag lang. Dann ging es weiter Richtung Gijon. Da alle Strände, sowohl vor, als auch nach dieser Stadt, sehr dicht bebaut und voller Urlauber waren, beschlossen wir zügig gen Westen zu fahren, in der Hoffnung, dort auf einsamere zu stoßen. Hier war es nicht nur grün, sondern auch oft bewölkt und „regnerisch“, weshalb wir bisher noch keinen richtigen Badetag eingelegt hatten. Deshalb stoppten wir an einem Strand nahe Riegoabajo.

Dort hatten wir großes Glück. Als wir spontan beschlossen umzuparken, viel uns ein anderer weißer Bus auf. Die Besitzer-Familie saß am Dach und winkte uns fröhlich zu. Nach einem Blick aufs Wiener Kennzeichen war klar, dass es ein netter Abend werden würde. Wir verstanden uns so gut, dass wir gemeinsam ein paar Tage verbringen wollten und begleiteten die beiden und das kleine Mädel zu einem 150 km entfernten Festival. Als wir ankamen waren nur mehr die Überreste der Feier und ein paar noch nicht weitergereiste Busse da. Wir waren leider eine Woche zu spät dran und erhielten als Trost ein paar Tipps für andere „Festln“. Trotzdem blieben wir zwei Tage gemeinsam an diesem schönen Ort. Der Strand war in Gehweite, gleich hinter einem kleinen Wald und Toiletten und Duschen direkt neben dem Parkbereich - extrem sauber und auch nachts offen begehbar. Anschließend fuhren wir wieder im Konvoi weiter und erreichten abends Caldas de Reis. Diesmal waren wir zum richtigen Zeitpunkt da und die Festlichkeiten in vollem Gange. Das Festival war allerdings größer und lauter als erhofft und auch musiktechnisch wurde nicht ganz unser Geschmack getroffen. Trotzdem verbrachten wir zwei spannende Abende. Der Campingplatz war auf einem Feld neben der Kleinstadt und, genau wie die restliche Veranstaltung, kostenlos. Danach wollten wir noch einen gemeinsamen Badetag verbringen, bevor unsere Wege uns in getrennte Richtungen führen würden; denn während wir weiterhin Galizien bereisen wollten, mussten unsere Reisegefährten nach Lissabon. Wir fanden einen abgeschiedenen Platz an einem Meeresausläufer, wo wir neben Eukalyptuswäldern angelten, Lagerfeuer machten und Muscheln auf einer Sandbank suchten. Es war eine sehr schöne Woche, die wir gemeinsam verbracht haben und wir freuen uns, dass wir und die beiden in Portugal dasselbe Festival besuchen werden.

Inzwischen sind wir im nordwestlichsten Teil Spaniens, der berüchtigten Costa da Morte, angekommen und haben die letzten Tage am Praia de Traba verbracht. Ein wunderschöner Strand, ein paar Camper und viele Windsurfer. Wie wir im Vergleich mit Biarritz feststellen konnten, ist bei der jüngeren Generation Wellenreiten angesagter. Hier ist es sehr windig und die Wellen flacher, daher ideales Windsurfwetter. Heute haben wir ein Kitesurferpärchen beobachtet, das dem Adrenalinkick nachgejagt hat. Direkt am Meer ist es durch den Wind etwas kühl und man muss in den Dünen Schutz vor dem, stechend auf die Haut prasselnden, Sandsturm suchen, doch ist es hier idyllisch - weißer Strand, türkisfarbenes, kristallklares Wasser und viele Albatrosse in den Lüften. Mein Freund hat sich heute eine Angel gekauft und jetzt werden wir unser Glück versuchen...

Nach dem monatelangen, exzessiven Durchstreifen mitunter recht kühler Gegenden sind wir nun beim „Badeurlaub“ angelangt und froh, die restliche Zeit am Meer entspannen zu können.

Die bereits zurückgelegte Route



Mittwoch, 7. Juli 2010

Ein kleines Stück vom großen Kuchen












In Südengland war es schon so heiß gewesen, dass wir uns in Calais entschlossen, zügig Richtung Süden zu fahren und große Städte möglichst zu meiden - bei knapp 30° macht es weder Sinn noch Spaß durch die aufgeheizten Ballungsräume zu wandern.

Die schnellste Route (ohne Mautgebühren) durch Frankreich führte trotzdem direkt nach Paris.

Unser zweiter Besuch. Nach einer 1 ½ std. Nachtdurchfahrt mit unserem Bus, vorbei am hell erleuchteten Eifelturm, der wunderschön in Szene gesetzten Seine -befahren von bunt beleuchteten Rundfahrtsschiffen, den Fußgängern überlassenen Brücken -von Jugendlichen als Freiraum eingenommen, Notre Dame, dem Place de la Concorde, den so typischen Pariser Bistros, fuhren wir, um etwas außerhalb der Stadt zu übernachten und am nächsten Tag die Schlossanlage samt Park zu besichtigen, nach Versaille.

Frankreich, das erste Land das seinen Kulturauftrag ansatzweise erfüllt, gewährt allen (Europäern) bis zum 26. Lebensjahr freien Eintritt zu den meisten Sehenswürdigkeiten. Die Alterklassen darüber müssen recht happige 8,50 € berappen.

Das Schloss selbst war von Touristen überlaufen, die an diesem heißen Sommertag alle recht zügig durch die Gänge liefen. Nur an den seltenen Toiletten bildeten sich beständige Besucherströme, die bei Wartezeiten von 20min.(für Frauen) genügend Zeit hatten die Wand, oder einfach den Vordermensch mehr als ausreichend zu begutachten.

Sonst: Prunk - Blattgold an jeder Ecke. Etwas fragwürdig wirkten hölzerne Wandbeschläge, die im Marmorstil ausgemalt wurden. Vorbei an Gemälden gelangte man in das Königsgemach - noch mehr Blattgold als sonst, ein riesiges Himmelbett, weitere, kleine Betten im Raum - für Bedienstete die über Nacht blieben. Der Ludwig hatte es fein, aber nicht umsonst Angst allein im Dunkeln zu sein.

Schnell raus hier.

Den restlichenTag schlenderten wir durch die Parkanlage des Schlosses, die freizugänglich ist und ein imposantes Gesamtbild liefert. Vorallem wollten wir den für Marie Antoinette gebauten Park besichtigen, der im Kontrast zur restlichen Anlage steht. Er wirkt natürlich, mit dezenten Anstiegen, wild wuchernden Sträuchern, einer romantische Spielgrotte für die kleine verwöhnte Göre, abgelegenen, ländlich wirkenden Häuschen zur Entspannung vom Alltagstress im Königshaus und ihrer Residenz, in der sie sich hauptsächlich aufhielt.

Genug.

Am Abend fuhren wir weiter Richtung Loire-Tal, eines der schönsten Fleckchen Erde in Frankreich. Auf Empfehlung unseres lieben Reisefreundes Mik, den wir in Griechenland kennengelernt hatten, verbrachten wir hier einige Tage.

Der Norden dieses Gebietes gilt als „die Kornkammer“ Frankreichs. Vorbei an wirklich endlosen Weizenfeldern führte uns die landschaftlich wunderschöne Strecke, durch kleine Örtchen, die Lust auf ein Glas Rotwein in der Abenddämmerung versprühen, ins Innere des Tals.

Dort besuchten wir Chambord. Ein abgelegenes Schloss, von Franz I. erbaut, das später den ganzen Ludwigs als Jagdresidenz diente.

Am Abend ein Picknick und weiter Richtung Biarritz.

Nach einer Marathonfahrt landeten wir um 4 Uhr früh bei Seignosse, etwa 50 Kilometer nördlich von Biarritz, auf dem Parkplatz einer Fastfoodkette und sollten die nächsten 12 Stunden nicht mehr aufstehen.


Campingplatz und Meer

Da Italien, Kroatien und Griechenland in der Hochsaison offensichtlich 90% der Pauschaltouristen absorbieren, ist es hier überraschend „leer“. Auch abseits der Campingplätze haben wir weder große Hotelanlagen, noch All-Inclusive Komplexe vorgefunden. Was auch immer abschreckend wirken mag, mir solls recht sein. Für mich neben Portugal der ideale Badeurlaubsort.

Unser Campingplatz (22€), gelegen in einem tiefen Pinienwald von enormer Größe, war sehr angenehm. Die Abstände zwischen den Zelten und Wohnmobilen waren großzügig bemessen, trotzdem fühlte man sich nicht allein. Gegenüber versammelten sich ein paar Wiener, alle Anfang Zwanzig. Sie waren zum Surfen hier. Das Gebiet ist bei Surfern hochbeliebt -der Atlantik schleudert hier mehrere Meter hohe Wellen an die Küste. An den Abenden forderten sie unsere Neugier, indem sie Wortfetzen wie „Häupl“, „Lugner“ und „Wirtschaft“ fallen ließen. Leider konnten wir trotz der Verwendung eines Trichters als Schallfänger nicht viel mehr von den Gesprächen verfolgen.

Vor uns ein spanisches Pärchen mit Kleinkind, angenehm ruhig. Das Kind hatte den größten Spielplatz vor der Haustüre und wirkte sehr ausgeglichen. Links, an unser Wohnmobil angrenzend, ein französisches Pensionistenpärchen, dass sich den Aufenthalt durch ihren kleinen Flatscreen samt DVB-T Receiver versüßte und sich somit nicht viel bewegte. Die ersten Tage war es bewölkt, sprich kein Badewetter, also verzogen wir uns in unser Schneckenhaus, machten es uns gemütlich, lasen und sahen Filme, Abends wurde gegrillt. Am Tag der Abreise besuchten wir den traumhaften Strand und holten uns den ersten richtigen Sonnenbrand.

Samstag, 3. Juli 2010

Mittwoch, 30. Juni 2010

Die Durchquerung Englands












Verfasst vor 3 Tagen:

So. Inzwischen ist wieder viel Zeit vergangen. Wir sitzen auf der Fähre nach Calais, Frankreich und haben nun endlich Muße England Revue passieren zu lassen. Nach einem Wandertag nahe Stirling landeten wir in Glasgow – der letzten Station in Schottland. Hier hatten wir in einem Pub, der keine englischen Klischees erfüllte, das Spiel Deutschland gegen Australien verfolgt. Die Atmosphäre hatte sogar recht amerikanisch angemutet: ein lebensgroßes, sich selbst marinierendes, Hot-Dog, ein von der Decke hängender Chevy, indem die Blues Brothers Platz genommen hatten und das obligate Obama-Poster in Warhol-Stil – die neue Ikone, eingeschmolzen in jenem erhitzten Kessel der Politik und Popkultur legiert und auferstanden als frischgepressster Markenartikel Marilyn, ready für den Massenmarkt. Anscheinend ist Glasgow ein äußerst heißes Pflaster mit lauter Verrückten - das Rotweinglas aus dem ich trank war jedenfalls ein Imitat aus Plastik und die Engländer für die Deutschen. Nach dem Spiel ging es weiter Richtung Lake District, einem Erholungsgebiet an der Westküste, zuvor gab es noch einen kurzen Zwischenstopp in einem buddhistischen Kloster, mitten in der schottischen Pampa. In tiefster Dunkelheit gelangten wir dorthin und haben auf dem Weg unser erstes größeres Tier überfahren – die dicke Paste aus Fliegen und Faltern, die unsere Scheibe verkrustet und regelmäßig abgeschabt werden muss, zeigt, dass wir insgesamt gesehen schon weitaus mehr Lebewesen auf dem Gewissen haben als uns lieb ist.

Abgesehen von diesen Bluttaten ist in ganz Großbrittanien alles so sicherheitsorientiert, dass einem fast schlecht davon wird. Angefangen bei ständigen Erläuterungen darüber wie ein Auto perfekt zu steuern sei, die eine ganze Palette großflächig angebrachter Aufschriften wie „Slow Down“ und „Reduce Speed Now“, oder den etwas drastischeren Slogan „Aggression Kills“ umfassen, führt der liebevoll sanfte Schultergriff einverleibter Wohlfahrtspolitik den inzwischen schon recht weichgeklopften Bürger zur kritiklosen Akzeptanz extremer Videoüberwachung, „Neighborhood Watch Areas“, dem Verkaufsverbot von Alkohol ab 22h – wohlgemerkt nur in Schottland und sinnigerweise sind Bars davon ausgeschlossen – inklusive hoher Altersfreigabe (Alkohol ab 25 Jahren und Zigaretten ab 18 Jahren), enormer Unterschriftenkontrolle bei bargeldlosem Zahlungsverkehr und endet in einem Fiasko – der Liasion von Wein und Plastik. Die britischen Einwohner sind, um nach dieser Kritik auch Positives anzumerken, die bisher mit Abstand höflichste Bevölkerungsgruppe Europas und ausgesprochen hilfsbereit. Nicht nur, dass uns jeder Kassierer und Imbissverkäufer gefragt hat, ob wir denn auch einen schönen Tag hinter uns haben, auch Entschuldigungen kamen sehr schnell über die Lippen, was mich dazu bringt, dass ich schmunzeln muss und mir einen kleinen Seitenhieb nicht verkneifen kann, wenn ich mich frage, ob dies bei der Kolonialisierung auch ähnlich von statten ging. Die von animalischer Gier angetriebene und dazu im krassen Gegensatz elegant durchgeführte Machtübernahme durch ein weltmännisch gewandtes Königreich. So quasi „Wir nehmen euch zwar alles weg, misshandeln und ruinieren euch für immer, aber wir bedauern dies zutiefst und möchten uns schon jetzt für jegliche Unzulänglichkeit, die daraus resultieren sollte, vielmals und von ganzem Herzen entschuldigen“. Trotz dieser dunklen Vergangenheit ist die britische Zuvorkommenheit natürlich äußerst angenehm. Außerdem haben die Engländer einen charmanten Akzent, die Schotten tragen sexy Röcke und nirgendwo sonst habe ich derartig viele Männer mit nacktem Oberkörper auf den Straßen gesehen- das allein stimmt milde.

Zurück zum Lake District. Dort verbrachten wir ein paar erholsame Tage auf einem Parkplatz im tiefen, sattgrünen Wald. Es gibt hier viele Rundwanderwege, die wir auch nutzten und die kleinen Orte sind idyllisch und, da das Gebiet sehr groß ist, nicht allzu überlaufen. Auch war es sehr angenehm überall legale Parkmöglichkeiten vorzufinden, auf denen Camping kein Problem darstellte und deren Preise mit ca. 4 Pounds pro Tag erschwinglich waren.

Weiter ging es Richtung Süden und Liverpool. Kurz davor legten wir einen Zwischenstopp in Southport, an der Westküste, ein. Ein wunderbar weiter Strand erwartete uns. Das Wetter war leider noch zu kühl, um baden zu können, stattdessen begegnete uns eine große Gruppe Jugendlicher, die unter Organisation der Seventh Day Adventist Church hier ihr alljährliches Treffen abhielten. Im Abendrot der untergehenden Sonne fand hier am Strand ein kurzer Gottesdienst statt und wir wurden eingeladen teilzunehmen. Es war sehr schön und vorallem fröhlich – mit lauthals gesungenen Gospelliedern und gemeinsamen Beten, das einem lockeren Gespräch ähnelte, anstatt ein strenger Verweis mit erhobenem Zeigefinger zu sein – der verführerischen Versuchung Aspekte der Askese zu erläutern konnte jedoch auch diese Organisation nicht widerstehen. Die Mädels und Jungs waren sehr zugänglich und aufgeschlossen und ihre dezenten Rekrutationsversuche minderten die nette Begegnung keineswegs.

Am nächsten Tag legten wir im stickigen Auto (das Fenster auf der Beifahrerseite lässt sich nur mehr schwer bedienen – Kurbel kaputt – aus Angst, es könnte nicht mehr zugehen, lassen wir es meist ungeöffnet und da ich öfters auf dieser Seite sitze, bange ich schon vor dem nahenden Süden) die letzte Strecke nach Liverpool zurück. Dort spazierten wir nur kurz durch die recht triste Industriestadt, die uns nicht sonderlich gefiel und fuhren ein paar Stunden später ins nahegelegene Birmingham.

Diese Stadt ist die zweitgrößte Englands, nach London natürlich und wir haben uns, abgesehen von einem kleinen Abstecher in den botanischen Garten, eigentlich nur in den Randbezirken aufgehalten.

Die Ghettoisierung, die man aus den Nachrichten so kennt, sieht man hier deutlich. In manchen Vierteln der Stadt leben vorallem Inder, in anderen Menschen muslimischer Herkunft. Die Bewohner dieser Viertel sind durchwegs traditionell gekleidet und in den Schaufenstern anliegender Geschäfte werden Waren wie Saris, Teppiche oder Bollywoodfilme feilgeboten. Viele kleine Märkte und Imbissbuden ergänzen das Straßenbild. In den großen Kaufhäusern sind die exotischsten Produkte zu günstigen Preisen erhältlich. Ein paar Häuser weiter wohnen dann wieder lauter Briten und die angebotenen Waren sind regional beschränkt und so kann man an Birmingham die Situation misslungener Integrationspolitik ablesen. Im Vergleich dazu scheint Wien mit seinem Schmelztiegel verschiedener Kulturen und zentral positionierten „Sehenswürdigkeiten“, wie dem Naschmarkt, ein äußerst fröhliches Miteinanderleben zu generieren. Endlich mal ein Grund stolz zu sein auf die Heimatstadt!

Der botanische Garten war gratis zugänglich und in viele verschiedene Bereiche unterteilt. Tropen, Wüste, Gebirge, gemäßigte Zone usw. waren als begehbare Innenräume angelegt. Der weitaus größere, begehbare Teil war als englischer Rosengarten, Farnwinkel, Römisches Atrium, Cottagehäuschen mit Kräutergarten uvm. ausgestaltet. Zu unserem Vergnügen, zugegeben nicht ganz frei von Zynismus, konnten wir eine feine Hochzeitsgesellschaft beobachten, die hier ihre Feier abhielt. Im klassisch englischen Stil gekleidet, in dickstoffenes Qualitätsgewand gehüllt und viele der Damen extravagant behütet.

Angeregt von dieser Begegnung freuten wir uns auf die Cotswold Hills, ein Erholungsgebiet im Westen von London, indem viele Wohlsituierte und Stars, ihre Anwesen haben.

Das erste Örtchen, Stanton, ist ein Traum, winzig und niemand Anrainerfremdes bewegt sich dort. Wir fühlten uns dennoch nicht als Eindringlinge, sondern wurden nur interessiert begutachtet, als wir („Oh Klischee ergieße dich über uns“) ein Spiel des Cricketclubs beobachteten. Anschließend spazierten wir, vorbei an süßen, beigefarbenen Steinhäuschen mit üppigen Blumengärten – die Fenster und Türen standen hier lässig unbeängstigt offen, „Neighborhood Watch Area“ selbstverständlich – , aus dem Dorf hinaus, entlang der sanften, englischen Hügel, bestiegen eine mächtige Eiche und machten uns wieder von dannen.

Anscheinend hatten wir hier wirklich einen Glücksgriff gelandet, vielleicht war aber auch unser folgendes Timing nicht gut, denn der nächste Ort war weniger idyllisch, wenn auch nicht aufgrund der Optik, so wegen der vielen Besucher. Aber was hatten wir uns auch dabei gedacht Bourton-On-The-Water an einem sonnigen Sonntagnachmittag zu besuchen. Flüchtend vor den Massen fanden wir in Little Faringdon Asyl, direkt neben einem wogenden Kornfeld, dessen verblassende Grüntöne sich allmählich ins Gelbe verschoben und so an den nahenden Sommer gemahnten.

Am nächsten Tag brachen wir nach Oxford (ca. 2 Stunden entfernt) auf. Jedoch war auch hier der Zeitpunkt äußerst ungünstig: Eine Paradestudentenstadt am Zeugnistag zu besuchen hat zwar einen eigenen Reiz – man bekommt trotz Freisemester den Ferienbeginn mit und sieht viele junge Menschen mit witzigen, schwarzen, viereckigen Quastelhüten – aber es ist halt trotzdem nicht dasselbe. Die mittelalterlich verzierte Stadt wirkte bald ausgestorben und wie im trägen Sommerschlaf und von den edlen Universitäten sahen wir leider nur die Innenhöfe. Was überraschte war, dass das Flair des Städtchens etwas weniger versnobt ist als angenommen. An der Atmosphäre merkt man, dass während des Studienjahres viele junge Leute hier leben, es gibt einen großen Park, viele kleine Pubs und irgendwie gleicht die ganze Innenstadt einem erweiterten Campus.

Am Abend fuhren wir an den Rand von London, um am darauffolgenden Tag Festivaltickets für Portugal im Szenebezirk Camden zu erstehen. Wir merkten wiedermal wie klein die Welt doch ist, als wir feststellten den Verkäufer der Karten über Salzburger Ecken zu kennen. Zu meinem großen Bedauern konnten wir nur bis zum Abend bleiben, da das Parken in London unglaublich teuer ist. Die hohen Preise sind auch der Grund warum die meisten hier nicht Fuß fassen können, wurde uns gesagt. Nachdem wir bei unserem ersten Besuch in der Hauptstadt vorallem die klassische Tourismustour absolviert hatten, konzentrierten wir uns diesmal auf dieses Viertel, das wirklich genügend zu bieten hat: schräg gestylte Leute, kuriose Geschäfte, Neonbeleuchtung, eine Marktstraße mit zahlreichen Cafés und Restaurants und alles in ständiger Bewegung und greller Üppigkeit, sodass einem die Augen übergehen. Daneben ein paar Kanäle an deren Ufern man entspannen kann und ein großer Park mit schöner Sicht aufs Zentrum.

Wir fuhren einmal quer durch die ganze, vibrierende Stadt, um hinaus zu gelangen, standen streckenweise im Stau und hatten so eine Stunde lang ausführlich Zeit Abschied zu nehmen. Da ich diese Stadt jedoch liebe, wie kaum eine andere, war es sicher keiner für immer!

Die nächsten Tage verbrachten wir am südöstlichen Zipfel Großbrittaniens, am Sandwich Bay, wo kreischende Möwengangs ihr Unwesen treiben. Dann verschoben wir die Fähre und entspannten zwei Tage auf einem Campingplatz unter exzessiver, fast schon missbräuchlicher Nutzung des Internet-Sticks (der in Frankreich nicht mehr funktionstüchtig sein wird), sprich Serienendlosschleifen schauen bis die Augen triefen und die Ohren glühen.

Am letzten Tag unseres Aufenthaltes verfolgten wir in einem kleinen Pub (diesmal wurden sämtliche englischen Klischees erfüllt: eng, schummriges Licht, Barhocker und Holztische, jede Menge brüllender Briten und reichlich Alkohol, diesmal sogar in echten Gläsern) das Spiel Deutschland-England. Wir hielten zu England, wurden selbst jedoch für Deutsche gehalten und auch unser demonstratives Traurigdreinschauen an entscheidenden Stellen konnte unsere unterstellte Tarnung nicht aufrechterhalten. Schlussendlich mussten wir vorzeitig durch einen tobenden Tumult wütender und in der nationalen Ehre schwer getroffener Fußballfans – warum die sich hier noch immer wie Ritter verkleiden versteht kein Schwein - und an die Wand geschmissener, zerberstender Glasbehälter fliehen. Noch einen Kilometer vom Pub entfernt konnten wir sie in ekstatischem Wahnsinn „you fucking white cocks“ schreien hören, dabei hatten wir gar keine weißen Deutschland-Dressen an und waren außerdem durch unsere aufgemalten Oberlippenbärtchen klar erkenntlich als Österreicher deklariert ;)

Etwas weiter südlich in Dover legte unsere Fähre ab. Der Weg zum Hafen war gesäumt von abgebrannten Interrail Reisenden, die auf zerknitterten Kartons um ein Charity-Ticket nach Frankreich flehten. Wir am Ende des Monats selber abgebrannt, konnten leider nicht weiterhelfen; so blieb uns nur der Aufbruch und das Zurückblicken auf die, in dickem Dunst liegende, Küste mit ihren gespenstisch weißen Klippen.